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Textilstadt Nordhorn

„Made in Nordhorn“ stand lange Zeit in der Modewelt für hohe Qualität. Jahrzehntelang  war Nordhorn einer der bekanntesten Standorte für die Textilindustrie in Europa. Das prägt die Stadt und die Menschen bis heute. Auf die Spuren der Textilgeschichte kann man sich ins Stadtmuseum im ehemaligen Spinnereihochbau begeben – oder man erlebt bei Kaffee, Cocktail, Kunst oder Konzerten eines der anderen erhaltenen Industriegebäude.

Tag und Nacht dröhnten in den großen Hallen mit den hohen Glasfronten einst die Maschinen. 50.000 Spindeln drehten sich in dem fünfgeschossigen Industriebau, in dem die Firma NINO jährlich mehrere Millionen Meter Stoff produzierte. In dem imposanten Spinnereihochbau zeigt heute das Stadtmuseum eine Dauerausstellung über die Textil- und Modegeschichte Nordhorns. Das fünfgeschossige Gebäude, entworfen vom Architekten Philipp Jakob Manz, wurde vor fast 100 Jahren errichtet, in den folgenden Jahrzehnten boomte die Textilindustrie. Der Stoff aus Nordhorn wurde auf Modeschauen in Paris vorgeführt, Karl Lagerfeld zeichnete Entwürfe für NINO, die Fußballweltmeister von 1974, darunter auch Franz Beckenbauer, trugen Mäntel aus NINO-Stoff.

Doch die Zeiten der Textilproduktion sind längst vorbei. Mit der Globalisierung wuchs der Druck, immer billiger zu produzieren. Die Nordhorner Textilunternehmen konnten im internationalen Wettbewerb nicht mehr mithalten. Bei der Firma Povel wurden 1978 die Webmaschinen angehalten, knapp 20 Jahre später folgte NINO, und 2001 schloss auch Rawe den Betrieb. Die Mitarbeitenden wurden entlassen, die Maschinen abgebaut und viele Industriegebäude abgerissen. Trotzdem prägt die Textilgeschichte Nordhorn und seine Bevölkerung bis heute.

Vom Gastarbeiter zum Grafschafter.

Über Jahrzehnte hinweg zogen Menschen aus dem In- und Ausland auf der Suche nach Arbeit in die Region. Um 1900 lebten in Nordhorn etwa 3.000 Menschen, dreißig Jahre später waren es schon 18.000 Einwohner, 5.700 von ihnen arbeiteten in der Textilindustrie. Nach dem Zweiten Weltkrieg boomte die Stoffproduktion erneut, es fehlten Arbeitskräfte und die Nordhorner Firmen warben auch im Ausland um Textilarbeiter und -arbeiterinnen. In den 1960er Jahren kamen die ersten Menschen aus Italien, Griechenland, Portugal und der Türkei nach Nordhorn, um in den Fabriken zu arbeiten. 

Eine von ihnen war Agnes Carvalho. Nach ihr ist kürzlich eine Straße in einem neuen Wohngebiet am Nordhorn-Almelo-Kanal benannt worden. Als junge Frau war Agnes Carvalho von Portugal nach Nordhorn gezogen, sie arbeitete in der Textilindustrie und wurde schließlich Betriebsrätin bei NINO. Die Geschichte und der große Beitrag der sogenannten Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen, die heute längst in zweiter und dritter Generation Nordhorner:innen sind, ist auch in der Ausstellung dokumentiert und ebenfalls nachzulesen in dem Buch „Vom Gastarbeiter zum Grafschafter“ der Geschichtswerkstatt der Volkshochschule.

Mit dem Niedergang der Textilindustrie musste Nordhorn sich neu finden und erfinden. Dass heute mehr Menschen in Nordhorn wohnen als in den Hochzeiten der Textilindustrien, zeigt, dass der Strukturwandel gelungen ist, die Wirtschaft ist vielfältig aufgestellt und Nordhorn heute eine lebenswerte Kleinstadt. 

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