Alexander Strauß ist professioneller Clown. Er besucht
Kinder und Jugendliche in Slums und Krisengebieten – und er erklärt, warum er das für eine gute Investition hält.
Alexander Strauß reist in Kriegsgebiete, Flüchtlingslager und Slums, immer mit der roten Nase im Gepäck. Der professionelle Clown besucht gemeinsam mit anderen Künstlerinnen und Künstlern weltweit Kinder und Jugendliche in Not, um ihnen Mut, Freude und Hoffnung zu schenken. Zusammen mit fünf Kollegen und Kolleginnen leitet der 54-Jährige seit zehn Jahren den Verein „Clowns ohne Grenzen“, der die künstlerischen Shows und Workshops in Krisengebieten organisiert. Strauß wohnt in München und auf dem Land, in dem Videogespräch redet er mit weichem österreichischen Klang.
SZ: Alexander Strauß, reden wir über Geld.
Alexander Strauß: Das ist gut. (lacht)
Sie reisen weltweit in Kriegs- und Krisengebiete, um dort als Clown aufzutreten. Wäre es nicht sinnvoller, das Geld in Essen und Medizin für diese Menschen zu investieren?
Ja, unbedingt. Bevor die Menschen nicht Wasser haben, etwas zu essen, die wärmende Decke über dem Kopf und medizinisch versorgt sind, fangen wir gar nicht erst an. Aber das ist ja nur ein Teil des Menschseins. Wenn die ersten Hilfsmaßnahmen getan sind und die Kameras der Weltöffentlichkeit den Schauplatz verlassen haben, sind die Menschen immer noch dort, werden aber oft vergessen.
Was können Sie mit roten Nasen, Zaubertricks und Späßen dort ausrichten?
In den Flüchtlingslagern bleiben die Menschen oft über Jahre oder Jahrzehnte. Und warten. Das macht etwas mit ihnen, da wirst du wahnsinnig. Ein schleichender Prozess von Mutlosigkeit, Desillusionierung und Hoffnungslosigkeit setzt dann ein. Mit unseren Shows möchten wir künstlerisch mit den Menschen etwas gestalten und ihnen so wieder etwas Lebensmut und Freude bringen.
Wie machen Sie das?
Ein wichtiger Aspekt in unseren Shows und Workshops ist zum Beispiel, dass Clowns immer mit dem Scheitern leben. Wir scheitern, stehen wieder auf, scheitern wieder, aber geben niemals auf. Diese sehr einfache Nachricht landet binnen Sekunden bei Kindern.
Sie schicken nur professionelle Clowns auf Tour. Machen das alle ehrenamtlich?
Außerhalb von Deutschland machen wir alle Einsätze unentgeltlich. Innerhalb unseres Landes sind manchmal Aufwandsentschädigungen möglich, die liegen allerdings unterhalb von üblichen Honoraren, da haben wir die Möglichkeit, einen Einsatz mit einem Hunderter zu vergüten. Die Ehrenamtlichkeit war eine Bedingung der Kinder, die die Clowns ohne Grenzen ins Leben gerufen haben.
Warum sollen Sie nichts verdienen?
Während des Balkankrieges 1992 hatten spanische und kroatische Kinder Brieffreundschaften. Die spanischen Kids haben gefragt: Wie geht es euch im Flüchtlingslager? Was können wir für euch tun? Die kroatischen Kinder haben geantwortet, wir haben Essen, Decken, Medizin, aber was uns fehlt, ist Spaß und Lachen. Da haben die spanischen Kids einen berühmten Clown gebeten, mit seinen Kollegen ihre Brieffreunde zu besuchen. Sie haben Spenden gesammelt für die Fahrtkosten und den Clowns gesagt, wenn ihr da hingeht, dürft ihr nichts verdienen. Nach der Show in Kroatien haben die Kinder gefragt: Wann kommt ihr wieder? Das war die Geburtsstunde von Clowns ohne Grenzen.
Wonach wählen Sie die Orte aus, an die Sie reisen?
Wir gehen nur dorthin, wo Krisen sind und wo vor allem Kinder betroffen sind, von Konflikten, Naturkatastrophen oder sehr armen Verhältnissen. Dabei wählen wir eher Regionen aus, wo gerade niemand hinschaut, um auch an diese vergessenen Konflikte zu erinnern. Und wir versuchen, immer wiederzukommen. Teilweise werden wir auch eingeladen. Dann tüfteln wir, ist es möglich, dorthin zu reisen, wer hat Zeit, haben wir das Geld dafür.
Wie finanzieren Sie diese Reisen?
Der Verein Clowns ohne Grenzen basiert auf drei Standbeinen: Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Kooperationen, zum Beispiel mit Bundesministerien, Botschaften, der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder dem Goethe-Institut. Hilfreich sind oft auch Nichtregierungsorganisationen vor Ort, die uns bei der Logistik unterstützen.
Und wenn das Geld nicht reicht?
Schauen wir, ob wir es möglich machen können und wer uns noch helfen könnte. Wir gehören gemeinsam mit 14 anderen Partnerorganisationen zu der weltweiten Vereinigung „Clowns Without Borders International“, die in den vergangenen 30 Jahren bereits mit mehr als 1500 Projekten in über 120 Staaten aufgetreten sind, und wir unterstützen uns gegenseitig.
Was kostet ein Einsatz?
Meist gehen wir in Gruppen von zwei bis vier Leuten für zwei oder drei Wochen auf Tour. Das bedeutet zum Beispiel drei Flüge für 400 bis 500 Euro pro Person, dann kommen noch 14 Tage Unterkunft und Verpflegung dazu, ein Auto und eine Person, die uns vor Ort hilft, weil ohne Dolmetscher sind wir aufgeschmissen. Das sind insgesamt etwa 5000 Euro. Das variiert natürlich, je nachdem wie weit die Anreise ist, wie teuer die Unterkunft. Es können dann auch mal insgesamt 8000 Euro für vier Personen und zwei Wochen sein.
Wie reagieren die Kinder, wenn Sie kommen?
Das Schöne ist, wir kommen als Fremde und gehen als Freunde. Manche Kinder sind sofort begeistert, andere sind zunächst skeptisch, weil in vielen Regionen Clowns eher unbekannt sind, zumindest als Figur. Nicht aber als der Archetypus desjenigen, der irgendwie ein bisschen seltsam ist. Wenn die Kinder erst einmal begreifen und erfühlen, was wir tun, dass wir nur für sie da sind, reagieren sie auf der ganzen Welt gleich. Sobald du ihnen wohlwollend gegenübertrittst, hast du überhaupt keine Probleme. Sprache ist dann völlig uninteressant. Oft erleben wir, dass die Kinder es nicht fassen können, dass wir wirklich den ganzen weiten Weg gekommen sind, nur um sie zu besuchen.
Sie treten vor Kindern auf, die oft schwer traumatisiert sind. Wie gewinnen Sie ihr Vertrauen?
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Das ganze Interview auf sz.de: