„Wenn der Kunde Orangen im Juni möchte, können wir sie ihm nicht liefern“

Süddeutsche Zeitung, Wirtschaft

Nach seinem Wirtschaftsstudium in Madrid zog Gonzalo Úrculo in das Dorf seiner Großeltern, um Bio-Orangen anzubauen. Dann gründete er die digitale Plattform Crowd-Farming. Ein Gespräch über Obst, den richtigen Anbau – und die richtigen Jahreszeiten.

Interview von Inga Rahmsdorf

Da der junge Spanier Gonzalo Úrculo für seine Biofrüchte kaum Geld erhielt, begann er, sie ohne Zwischenhändler direkt über das Internet zu verkaufen. Mittlerweile vermarkten mehr als 300 Landwirte ihre ökologischen Produkte über Crowd-Farming. „Guten Morgen, wie geht‘s?“, fragt er gut gelaunt auf Deutsch, als er sich im Video-Call zuschaltet. Der 38-jährige Geschäftsführer und Vater von drei Kindern sitzt in einer gläsernen Bürolandschaft, der Zentrale von Crowd-Farming in Madrid. Er hat ein Jahr lang in Berlin studiert, aber das Interview führt er dann doch lieber auf Spanisch.

SZ: Gonzalo Úrculo, reden wir über Geld. Sie begannen 2009, die brachliegende Plantage ihrer Großeltern bei Valencia zu bewirtschaften. Wieviel erhielten Sie für Ihre ersten selbst geernteten Orangen?

Gonzalo Úrculo: Der Verkaufspreis der ersten Orangen lag bei etwa 22 Cent das Kilo. Wir haben den Händlern gesagt: Hey, diese Orangen enthalten keine Pestizide. Aber das war ihnen egal, es gab damals keinen Markt für Bioprodukte in Spanien.

Klingt nicht sehr lukrativ.

Nein, und die Händler wählten nur die Orangen aus, die schön aussahen und den Normgrößen entsprachen. Außerdem erfuhren wir den Preis erst nach der Ernte. Wir hatten dann die Idee, die Orangen über das Internet direkt zu verkaufen, um faire Preise zu bekommen. Zusammen mit meinem älteren Bruder Gabriel und einem Freund erstellten wir eine Webseite.

Lief der Verkauf übers Internet sofort gut?

Im ersten Jahr gab es nur wenige Bestellungen, wir haben die Orangen vor allem an Freunde und Bekannte verkauft. Aber mit der Zeit lief es immer besser, und zunehmend bestellten auch Menschen, die wir nicht kannten, unsere Orangen über das Internet.

Warum haben Sie die Orangen nicht in Valencia und der Region direkt vermarktet?

Wir haben anfangs viele Verkaufskanäle ausprobiert, unsere Orangen Restaurants und Händlern angeboten, aber wir hatten nicht genug, um eine Vereinbarung mit großen Supermärkten zu treffen. Und wir stellten fest, dass die Abnehmer oft Dinge von uns verlangten, die unseren Vorstellungen zuwiderliefen.

Zum Beispiel?

Wir hatten einen Kunden, der ein Restaurant in London betrieb. Er wollte, dass wir ihm zwei Mal in der Woche Orangen lieferten. Wenn es bei uns aber regnete, schrieben wir ihm: Es tut uns leid, wir können heute keine Orangen ernten, denn wenn sie nass sind, faulen sie. Der Kunde sagte: Das ist mir egal, ich habe Orangen auf meiner Speisekarte, also besorgt mir welche! Um die Früchte jederzeit liefern zu können, hätten wir sie in klimatisierten Hallen lagern und nach der Ernte für längere Haltbarkeit chemisch behandeln müssen. Wir hatten aber keine Lagerhallen und wollten frisch ernten. So stellten wir fest, dass der einzige Vertriebskanal für unser Konzept der Direktverkauf an den Endkunden war.

Warum?

Jemand aus Berlin bestellte bei uns eine Kiste Orangen, um sie am Freitag zu erhalten. Wenn es aber am Dienstag zuvor regnete, schrieben wir eine E-Mail, dass wir leider noch nicht ernten könnten. Für unsere Direktkunden war die schlechte Nachricht gleichzeitig auch eine gute, weil ihre Orangen noch an einem Baum hingen. Bei Früchten, die im Supermarkt verkauft werden, läuft es in der Regel so: sie werden meist alle auf einmal, oft kurz vor dem Reifegrad, geerntet, mit Substanzen behandelt und in Kühlhäusern gelagert. So können die Zwischenhändler die Bestellungen jederzeit bedienen.

Inzwischen vermarkten Sie nicht nur Ihre Orangen direkt über das Internet, sondern auch die Produkte von 315 weiteren Bauernhöfen aus Europa.

Mein Bruder Gabriel, zwei Freunde und ich haben 2017 Crowd-Farming gegründet. Wir sind kein Online-Supermarkt, wir kaufen keine Lebensmittel und verkaufen sie weiter, sondern bieten eine Plattform für Landwirte, damit sie ihre Ernte direkt und ohne Zwischenhändler verkaufen können.

Das bedeutet, bei Crowd-Farming werden die Früchte weiterhin direkt nach der Ernte in kleinen Paketen an die Kunden verschickt?

Ja, wir verkaufen nur saisonal und ernten immer schrittweise auf den Feldern, nach Bedarf. Die meisten Früchte halten sich sehr gut am Baum. Wenn du bei einem unserer Landwirte etwas bestellst, hängen deine Früchte noch am Baum. Damit wenden wir uns gegen den Trend, die Produkte innerhalb kürzester Zeit zu liefern. Das hat hohe Umweltkosten, weil das Obst dann überall in Europa zwischengelagert werden muss. Unsere schnellste Lieferung beträgt ab dem Zeitpunkt der Bestellung vier Tage. So lange dauert es mindestens, bis …

Das ganze Interview:

https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/crowdfarming-direktverkauf-bioprodukte-reden-wir-ueber-geld-orangen-li.3160546