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Pauls langer Weg nach Hause

Süddeutsche Zeitung, München

Paul kam herzkrank auf die Welt. Nach seiner Geburt liegt er ein Jahr lang auf der Intensivstation – viel länger als notwendig. Weil seine Eltern keinen Pflegedienst für zu Hause finden. So blockieren Kinder wie Paul Intensivbetten und Beatmungsgeräte, die in den Kliniken dringend gebraucht werden.

Aus Pauls Hals ragt ein Schlauch, durch den er beatmet wird. Wenn seine Mutter sich über das Bett beugt, lacht er und rudert mit den Armen. Um ihn herum sind Geräte, Monitore und Kabel. Paul ist neun Monate jung, 5,3 Kilogramm leicht. In seinem Oberkörper schlägt bereits ein Herzschrittmacher. An seinem Bett hängt ein Foto seines vierjährigen Bruders. Ein gesundes Kind, das am Ufer eines Sees spielt. Paul kennt nur die Intensivstation. Es ist Februar 2020, vor der Corona-Pandemie, Besucher sind in der Klinik noch erlaubt.

Paul kam mit einer Krankheit am Herzen auf die Welt und wurde mehrmals operiert. Dann bekam er Probleme mit der Lunge. Pauls Mutter versucht, sich immer nur auf den nächsten Schritt zu konzentrieren. Weiter nach vorne schauen, das geht nicht. „Wir wollen Paul eine so schöne Zeit wie möglich machen“, sagt die Mutter, die nicht möchte, dass ihre richtigen Namen in der Zeitung stehen.

Neun Monate nach seiner Geburt war der nächste große Schritt erreicht. Pauls Gesundheitszustand hatte sich stabilisiert. Im Februar 2020 sagten die Ärzte, er könne er aus der Haunerschen Kinderklinik der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München entlassen werden. Zu Hause bräuchten die Eltern aber Unterstützung von Kinderkrankenpflegern. Verordnet ein Arzt solch eine Betreuung, wird sie von der Kranken- oder Pflegekasse bezahlt. Paul hat zunächst sogar Anspruch auf eine tägliche 24-Stunden-Betreuung, weil er an eine Beatmungsmaschine angeschlossen ist. Verstopft die Kanüle oder rutscht sie heraus, muss man sofort reagieren. Das können die Eltern alleine nicht leisten. Sie haben alle ambulanten Pflegedienste in der Region angefragt, die auf Kinder spezialisiert sind. Doch keiner hatte freie Kapazitäten. Überall fehlt es an Personal.

„Kinder sollten nicht länger als notwendig auf der Intensivstation verbringen“, sagt Florian Hoffmann, Sprecher der Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und Oberarzt an der Haunerschen Kinderklinik. Das sei nicht gut für die Kinder, medizinisch und psychologisch. „Wenn ein Kind stabil genug ist, entlassen zu werden, sollte es nach Hause“, so Hoffmann. Das familiäre Umfeld biete mehr Ruhe und Geborgenheit als eine Intensivstation.

Die Mutter nimmt Pauls kleine Hand in ihre, er nuckelt zufrieden an seinem Schnuller, bis seine Augen zufallen. „Wir haben überlegt, ob wir das auch allein zu Hause schaffen“, sagt sie. Doch sie weiß, was das im Notfall bedeutet. Dass es um Sekunden geht. …

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